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Oktoberfest 1900 – Träume und Wagnis – Petra Grill

Cover Oktoberfest 1900

Wenn man an München denkt, kommen einem sofort das Bier und das Oktoberfest in den Sinn. Das Oktoberfest 2020 hat wegen der Corona-Pandemie nicht stattgefunden. Passenderweise wurde die Fernsehserie “Oktoberfest 1900” zur Wiesnzeit ausgestrahlt. Das Buch “Oktoberfest 1900 – Träume und Wagnis” wurde bereits Ende August veröffentlicht. Lass dich mit dem Roman ins historische München entführen. Wie wurde damals auf der Wiesn gefeiert?

Rezension

Die Handlung

Das Schankmädchen Colina bewirbt sich als Gouvernante bei dem Brauereimagnaten Curt Prank. Seine 19-jährige Tochter Clara ist neu in München und soll in die Gesellschaft eingeführt werden. Bisher hat Clara ihr Leben vorwiegend in Internaten verbracht. 

Curt Prank, der in Nürnberg eine Brauerei betreibt, will sich in München einen Traum erfüllen. Er will sein Bier auf dem Oktoberfest ausschenken und eine Bierburg für viele Hundert Menschen bauen. Er strebt nach Macht und Einfluss und will sich nicht mit einer kleinen Bude zufriedengeben. Um seine Pläne zu verwirklichen, hat sich Prank durch Strohmänner fünf Budenplätze gesichert, unter anderem den von den Hoflingers. Seine ehrgeizigen Pläne behagen den Münchner Großbrauereien überhaupt nicht. Auf deren Betreiben beschließt der Münchner Stadtrat, dass auf der Wiesn nur Münchner Bier ausgeschenkt werden darf. Curt Prank hat ein Problem, das er durch die Heirat seiner Tochter mit Anatol Stifter vom Kapitalbräu lösen will. 

„Es ist die Aufgabe jedes Mädchens zu heiraten, Clara.“

Buch Seite 58

Die eigenwillige Clara will Stifter nicht heiraten. Sie hat sich längst in einen anderen verliebt. Colina fühlt sich für Clara verantwortlich und die beiden schmieden Pläne, wie sie die Heirat verhindern können.

Trauer und Existenzsorgen herrschen in der kleinen Brauerei Hoflinger. Der Brauer wurde umgebracht, die Witwe und die beiden Söhne streiten sich wegen der Führung der Brauerei und der angeschlossenen Gaststätte.

Die Bierstadt München und das Oktoberfest

Um die Jahrhundertwende sind in München viele kleine und eine Handvoll große Brauereien ansässig. Es herrscht ein erbitterter Konkurrenzkampf um den Ausschank am Oktoberfest. Ein fester Budenplatz sichert ihnen die Existenz.

Die Figur Curt Prank ist an an den Wirt Georg Lang aus Nürnberg angelehnt. Prank hegt große Pläne, er will auf dem Oktoberfest eine Bierburg bauen, ein Besäufnistempel für dreitausend Menschen. In eine Bierbude passen dagegen maximal 300 Gäste. Das sorgt für Aufruhr, Intrigen stehen auf der Tagesordnung. Der Stadtrat beschließt, dass nur Münchner Bier ausgeschenkt werden darf. Mit diesem Beschluss hat Prank ein neues Problem. Seine Bierburg ist voll, doch er hat nicht genügend Bier für den Ausschank.

Die kleine Brauerei Hoflinger in Giesing steht stellvertretend für die kleinen Brauereien, die um ihre Existenz kämpfen. Curt Prank dagegen hat keine Geldsorgen, er will um jeden Preis sein Bier auf dem Oktoberfest ausschenken. Er sagt den großen, alles bestimmenden Brauereien den Kampf an und geht dabei über Leichen. Die Großbrauereien möchten die Traditionen aufrechterhalten und bremsen den Fortschritt. Und was noch wichtiger ist, sie möchten die bestehenden Machtverhältnisse beibehalten. Sie verteidigen ihre Macht mit allen Mitteln und scheuen vor keiner Intrige zurück. 

Der Blick hinter die Kulissen des Oktoberfestes ist aufschlussreich und beinhaltet mindestens ein Körnchen Wahrheit. Tatsache ist, nicht jeder darf Wiesnwirt werden, denn die Vorgaben sind sehr streng und es gibt mehr Bewerber als freie Plätze.

Colina und Clara – zwei starke Frauen

Als Clara direkt aus dem Internat in München ankommt, ist sie noch verträumt und weltfremd, ein stures und bockiges Kind. Doch sie ist eine Kämpferin wie ihr Vater. Sie will kein Anhängsel eines Mannes sein und wehrt sich gegen die von ihrem Vater arrangierte Hochzeit. Clara muss erst in der realen Welt ankommen und ihren Weg im Leben finden. Sie entwickelt sich von einer naiven, verwöhnten Tochter zu einer selbstbewussten Frau.

Colina Kandl ist eine energische Frau, die weiß, was sie will. Sie lässt sich nicht unterkriegen und kämpft für die Dinge, die ihr wichtig sind. Die lebenserfahrene ältere Colina, die mehr aus ihrem Leben machen möchte, und Clara, die gut behütete Tochter der oberen Gesellschaftsschicht, versuchen die dramatischen Ereignisse gemeinsam zu meistern. Träume und Wagnis, beide Frauen träumen von einer besseren und glücklicheren Zukunft, beide wagen sich gegen die vorherrschenden Verhältnisse zu stellen und zu kämpfen. Die beiden Frauen spiegeln das Leben der Frauen der damaligen Zeit.

Zu den wichtigen Nebenfiguren zählen Kriminalinspektor Eder und sein Assistent Lorenz Aulehner. Lorenz Aulehner ist mir trotz seiner strengen Moral sympathisch. Unter der Obhut von Eder fangen seine strengen Moralvorstellungen an zu bröckeln. Er lernt die Schwabinger Bohème kennen und den Journalisten Denhardt vom Simplicissimus. Seine Wege kreuzen immer öfter die der Colina Kandl.

Wie hat mir „Oktoberfest 1900 – Träume und Wagnis“ gefallen?

Der Autorin Petra Grill gelingt es, die Atmosphäre des München um 1900 gut einzufangen. Das Zusammenspiel von Macht und Liebe, Freundschaft und Korruption ist ihr sehr gut gelungen. Mit einem bildlichen und fesselnden Schreibstil beschreibt sie auf der einen Seite den Kampf ums Überleben der kleinen Leute und der kleinen Brauereien und auf der anderen Seite die mächtigen Bierbarone. Die Handlung basiert auf historisch wahren Begebenheiten. Die Hintergründe sind hervorragend recherchiert und die historischen Fakten sind sehr gut in den Roman integriert. Das Jahr 1900 sollte man allerdings nicht zu wörtlich nehmen. Die Begebenheiten um die Jahrhundertwende sind hier zusammengefasst wiedergegeben. Damit der Roman und der Fernsehfilm zusammenpassen, musste sich die Autorin an gewisse Vorgaben halten.

Der Roman “Oktoberfest 1900 – Träume und Wagnis” ist nicht einfach das Buch zur Serie. Im Roman stehen die beiden Frauen Colina und Clara im Mittelpunkt, die Fernsehserie dagegen dreht sich mehr um Curt Prank und seine Machenschaften. Der Roman und die Serie ergänzen sich wunderbar.

Die Charaktere sind bis in die Nebenfiguren vielschichtig und lebendig angelegt. Einige Figuren waren mir sympathisch, vor allem Colina habe ich ins Herz geschlossen. Mit Clara konnte ich nicht richtig warm werden. Eine Herausforderung ist für mich Curt Prank, eine interessante und mir äußerst unsympathische Figur, die ich aber in manchen Punkten verstehen kann. Das führt aber nicht dazu, dass ich sein Handeln befürworte. 

Fazit

Der Roman “Oktoberfest 1900 – Träume und Wagnis” ist sehr spannend und unterhaltsam zu lesen. Der Roman gibt Einblicke hinter die Kulissen des Oktoberfestes und des Lebens der Münchner um die Jahrhundertwende. Die Geschichte hat mich gefesselt und voll überzeugt. 

Der Roman ist nicht einfach das Buch zur Serie. Die Geschichte wird jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Der Roman und die Serie ergänzen sich. Wenn ich mich allerdings zwischen den beiden entscheiden müsste, würde ich das Buch wählen.

Die Fernsehserie „Oktoberfest 1900“

Als das Drehbuch geschrieben wurde, konnte noch niemand ahnen, dass das Oktoberfest zur Ausstrahlung der Serie nicht stattfindet.

Die Fernsehserie erzählt die Geschichte aus der Sicht von Curt Prank. Diese Perspektive ergänzt die Handlung im Buch. Einige Figuren, die im Buch vorkommen, tauchen im Film nicht auf. Die Rollen sind hochkarätig mit großartigen Schauspielern besetzt, die die Charaktere treffend verkörpern. Misel Maticevic verkörpert hervorragend Curt Prank. Martina Gedeck spielt die Witwe Maria Hoflinger, die Prank beschuldigt, ihren Mann ermordet zu haben. Weitere Darsteller sind Brigitte Hobmeier als Colina Kandl und Maximilian Brückner als Anatol Stifter. Der Kriminalinspektor Eder wird treffend von Eisi Gulp dargestellt.

Die Szenen mit der Münchner Bohème haben mir in der Fernsehserie nicht gefallen. Im Buch werden sie eindeutig besser dargestellt. Generell ist das Leben in München um 1900 im Buch besser herausgearbeitet als in der Serie. 

Die Fernsehserie steht noch bis zum 31.12.2020 in der ARD-Mediathek bereit. Zusätzlich zum Film sind zahlreiche Interviews mit den Darstellern vorhanden.

Historische Fakten – Zeit des Umbruchs

Die Kunst- und Bierstadt München besaß schon immer eine besondere Anziehungskraft. Das München um die Jahrhundertwende war voller Gegensätze. Man spürte den Kampf zwischen dem Aufbruch in die Moderne und dem Festhalten an den Traditionen. Die Kluft zwischen Arm und Reich war ungleich größer als heute.

München war eine boomende Kulturmetropole mit einer liberalen Grundhaltung, die liberalste Stadt Deutschlands. Kein Wunder, dass sich hier Freigeister und Querdenker zu Hause fühlten. Einige berühmte Vertreter waren Thomas Mann, die Skandalgräfin Franziska zu Reventlow, Franz von Stuck, Franz von Lenbach und Lenin. 

Gleich zwei neue Wochenzeitschriften erblickten das Licht der Welt. “Jugend” war die Zeitschrift für Kunst und Leben, nach der die neue prägende Stilrichtung benannt wurde, der Jugendstil. Einige der prachtvollen Jugendstilhäuser kannst du noch heute in Schwabing bewundern. “Simplicissimus” war eine satirische Wochenzeitschrift, die die neue spannende Zeit aufs Korn nahm. Die Münchner beäugten misstrauisch die ausgelassenen Feiern und den lockeren Lebenswandel der Künstlerszene. Die Schwabinger Bohème war in der Welt der Künstler bedeutend. Die Akademie der bildenden Künste München war die älteste Kunsthochschule Deutschlands. Zu den Studenten zählten berühmte Künstler wie Kandinsky, Paul Klee, Franz Marc und viele andere. 

„Schwabing ist kein Ort, sondern ein Zustand“

Franziska Gräfin zu Reventlow

In der Bierstadt München waren um 1900 viele kleine Brauereien ansässig, bevor das große Brauereisterben begann und die Anzahl der Brauereien drastisch zurückging. Die Biermadln (Schankmädchen, Kellnerinnen) haben damals kein festes Gehalt erhalten. Wie im Buch beschrieben, bestand ihre Entlohnung aus Trinkgeldern, von denen sie die Spülerinnen bezahlen und einen Teil an die Oberkellnerin abgeben mussten.

Nach der ersten Folge von “Oktoberfest 1900” wurde eine sehr sehenswerte Dokumentation ausgestrahlt, in der das Leben in München und die Bedeutung der Stadt um die Jahrhundertwende beleuchtet wurde. 

Die Dokumentation findest du noch bis zum 15.09.2021 in der ARD-Mediathek.

Oktoberfest das größte Volksfest der Welt

Das größte Volksfest der Welt findet jährlich mit nur ganz wenig Ausnahmen jedes Jahr ab Mitte September statt und endet am ersten Sonntag im Oktober. 2010 zum 200. Geburtstag des Oktoberfestes fand die “Oide Wiesn” zum ersten Mal statt. Die “Oide Wiesn” war als ein einmaliges Event mit historischen Fahrgeschäften und drei gemütlichen Bierzelten geplant. Das historische Oktoberfest fand einen großen Anklang und wurde zum festen Bestandteil der Wiesn.

Geschichte: vom Pferderennen zum Volksfest

Im Oktober 1810 fand ein Pferderennen mit öffentlichen Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen Ludwig von Bayern auf der Theresienwiese statt. Die Idee eines Volksfestes war geboren. 1819 übernahmen die Münchner Stadtväter die Planung des Festes, das jedes Jahr stattfinden sollte. Nach und nach kamen die Schaugeschäfte dazu und ab 1880 der Bierverkauf.  

„Das Bier wurde in kleinen Buden ausgeschenkt. Um mehr Sitzplätze für die Besucher und Raum für eine Musikkapelle zu schaffen, hatte sich 1898 der Wirt Georg Lang aus Nürnberg über Strohmänner fünf Budenplätze gesichert und errichtete hier seine „Bierburg“.“ (Wikipedia) In der “Bierburg” spielte eine große Blaskapelle und zum ersten Mal erklang hier das Lied “Ein Prosit der Gemütlichkeit .. oans, zwoa, drei, gsuffa”.

Die “Bierburg” machte den Anfang. Heute stehen auf der Wiesn 17 große (mit bis zu 6.000 Sitzplätzen) und 21 kleinere Festzelte. Es darf nur Bier aus den Münchner Traditionsbrauereien ausgeschenkt werden. 

Du möchtest noch mehr über das Oktoberfest erfahren? Auf https://www.oktoberfest.de findest du viele Informationen rund um das Oktoberfest.

Die Autorin Petra Grill

Petra Grill ist aufgewachsen und ansässig in Erding. Das Oktoberfest kennt und liebt sie seit ihrer Kindheit. Gern denkt sie daran zurück, wie sie schon als Kind mit ihren Eltern zwischen Schiffschaukeln, Karussells und dem Duft von gebrannten Mandeln über die Theresienwiese ging. (amazon)


Das Buch wurde mir freundlicherweise vom FISCHER Krüger Verlag für die Rezension zur Verfügung gestellt. Meine Meinung wird dadurch nicht beeinflusst.


Quellen Fakten und Hintergründe: Wikipedia, ARD Dokumentation, Website Oktoberfest.de

Informationen zum Buch

Cover Info Oktoberfest

Titel: Oktoberfest 1900 Träume und Wagnis
Autor: Petra Grill
Genre: Historischer Roman
Print-Ausgabe: 496 Seiten
Ausgaben: E-Book, Hörbuch, Broschiert
Verlag: FISCHER Krüger (26. August 2020)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3810500577
ISBN-13: 978-3810500571


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Kategorie: Rezensionen

von

Profilbild Kristina

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